Donnerstag, 17. Januar 2013

Über den Unterschied zwischen Trainer und Sifu

Liebe Mitlesende,

immer wieder einmal begegnet mir die Frage, worin denn eigentlich der Unterschied zwischen einem Trainer und einem Sifu liege. Auch kommt es immer mal wieder vor, dass hoffnungsvolle Schüler mit einer komplett falschen Vorstellung den Unterricht im Wing Chun antreten. Daher möchte ich heute den Unterschied zwischen einem Trainer und einem Sifu herausarbeiten.
Da ich selbst auch als (Diplom-)Trainer für WDS und Thai-Kick-Boxen tätig bin und obendrein als Chief-Instructor für das von mir ins Leben gerufene Everyday Life Combat / Reality Fighting fungiere, kann ich aus meinem eigenen Erlebnishorizont den Unterschied zu der Tätigkeit eines Sifu wohl recht gut beurteilen.
Denn die Herangehensweise an die Unterrichtsgestaltung und vor allem das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer ist beim von mir angebotenen Wing Chun und auch beim Tai Chi und Qi Gong eine völlig andere als bei den "verwestlichten" Kampfsport- und Selbstverteidigungssystemen.
Zuerst einmal muss man sich darüber klar werden, dass in der Welt des Wing Chun andere Gesetze herrschen als außerhalb dieser Kampfkunst. Nach der Tradition des chinesischen Kampfkunstunterrichtes wird die Tätigkeit eines Sifu keinesfalls als eine Dienstleistung angesehen, wie es in den moderneren Kampfsportarten der Fall ist. Der Sifu ist daher ganz sicher nicht der Diener seines Schülers, und die Leistung wird im Unterricht vom Schüler verlangt und nicht vom Lehrer.
Wem diese Vorstellung nicht behagt, der ist sicher besser beraten, eine verwestlichte Kampfsportart zu erlernen, wo der Lehrer eben kein Sifu , sondern ein Trainer ist. Denn zweifellos sind im Wing Chun Philosophie und Technik auf eine untrennbare Weise miteinander verbunden, so dass man als Schüler gewisse Regeln eben einfach akzeptieren und sich ihnen unterwerfen muss, wenn man es mit der völlig freien Entscheidung für einen Unterricht im Wing Chun auch wirklich ernst meint.
Beispielsweise wird im Wing Chun generell vor dem Unterricht bezahlt. Doch ist es dann nicht etwa der Lehrer, der sich für das erhaltene Geld zu bedanken hat, sondern der Schüler bedankt sich bei seinem Sifu, dass dieser das Geld annimmt und seine Einwilligung gibt, diesen Schüler zu unterrichten.
In der Regel liegen die Kosten für Unterricht im Wing Chun auch etwas höher als bei den anderen Kampfsportarten. Dennoch kann man sagen, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis im Wing Chun eine Schieflage aufweist: Der Lehrer gibt nämlich mehr, als der Schüler zu zahlen hat.

Gar nicht so selten kommt es vor, dass neue Schüler der irrigen Auffassung anhängen, sie hätten für ihr Stundenhonorar den Sifu gekauft. Dementsprechend fällt dann auch ihr Verhalten aus. Diese Schüler stellen sich dann in den Kwoon (die Trainingsstätte) und scheinen darauf zu warten, dass der von ihnen vermeintlich gecharterte Lehrer mit ihnen etwas anstellt. Dabei verkennen sie die Tatsache, dass sie diejenigen sind, die trainieren sollen. Die Aufgabe des Sifu besteht darin, seine Schüler zu beobachten, zu korrigieren und ihnen neuen Stoff zu geben, wenn der alte wirklich beherrscht wird.
Dabei darf man nicht vergessen, dass Wing Chun kein Schnellkursus ist, den man in wenigen Wochen absolvieren könnte. Letztendlich bleibt man im Wing Chun ständig ein Schüler, wird man sich als ein ewig Suchender verstehen müssen. Mit noch so viel Übungs- und Unterrichtspraxis wird es im Wing Chun doch immer möglich bleiben, persönlich neue Erkenntnisse zu erfahren beziehungsweise sich neue Bereiche zu erschließen. Mit dieser notwendigen Bereitschaft zu ständigem Lernen geht aber auch die Notwendigkeit einher, ständig ein Schüler bleiben zu müssen. So wird auch ein Sifu immer der Schüler seines Lehrers bleiben, ähnlich wie ein Vater auch immer der Sohn seines Vaters bleiben wird.
Aus der Notwendigkeit zu der Bereitschaft zu ständigem (Dazu-)Lernen erwächst aber auch die Erkenntnis, dass Kritik eben nicht schädlich oder bösartig ist, sondern vielmehr die Triebfeder zu der individuellen Fortentwicklung. Nicht umsonst besagt ein altes Sprichwort: "Wer mir schmeichelt, ist mein Dieb. Wer mich kritisiert, ist mein Lehrer". Dementsprechend ist Kritik auch nicht bloß das Recht eines Lehrers, sondern vielmehr seine Aufgabe und heilige Pflicht.
Wer all das begreift, der wird seinen Sifu auch nicht als seinen Feind ansehen, der durch seine Kritik eventuelle Träume von der eigenen Großartigkeit zu zerstören trachtet. Unterrichtet werden heißt ganz einfach kritisiert werden. Damit muss ein Schüler des Wing Chun umzugehen verstehen beziehungsweise muss er es lernen, sein Ego so weit hintanzustellen, dass er Kritik nicht mehr als persönlichen Angriff auffasst.
Wer um die Gefahr, die in diesem Zusammenhang aus einem übergroßen Ego erwachsen kann, weiß, kann sich auch aus ihr befreien. Der größte Feind des Schülers ist die Ungeduld und die Selbstüberschätzung.
Da wird von einem Sifu auch eine behutsame Vorgehensweise und ein "geschicktes Händchen" im Umgang mit Menschen verlangt, denn ganz sicher ist der Schüler auch nicht der Leibeigene seines Sifus.
Das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen sollte immer möglichst ausgeglichen bleiben.
So wird im Unterricht auch in der Regel nicht der ermutigt, der seine Sache gut macht, sondern der, der unsicher ist und meint, seine Kräfte (die hier nicht im physischen Sinne verstanden werden sollen) reichten nicht aus. Daher wird einem unvermeidbaren und erstmaligen Fehler auch nicht mit Tadel begegnet.
Wie heißt es doch in den Aufzeichnungen von Konfuzius ( * 551 v. Chr. - 479 v. Chr. ) so treffend:
"Einen Fehler begehen und ihn nicht wieder gut machen ( im Sinne von: sich nicht ändern, Anm. d. Verf.), erst das heißt fehlen."
Um abschließend das besondere Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer im Wing Chun charakterisieren und den Unterschied zwischen einem Trainer und einem Sifu begreiflich machen zu können, sei hier noch einmal Konfuzius das Wort erteilt, als er sich zu seinem Verhältnis zu den Schülern äußerte:
"Wem es nicht ernstlich darum zu tun ist, etwas zu lernen, dem erteile ich nicht meinen Unterricht, wer sich nicht wirklich bemüht, sich auszudrücken, dem helfe ich nicht nach. Habe ich eine Ecke gezeigt und er kann nicht von sich selber auf die anderen drei kommen, ist es bei mir vorbei mit dem Erklären."
Diese Worte dürften prägnant den Unterschied zwischen Trainer und Sifu skizzieren.
Keine Frage - ich übe beide Tätigkeiten mit der selben Gewissenhaftigkeit und Leidenschaft aus, denn das Wohl meiner Schüler liegt mir in allererster Linie am Herzen. Für welchen Weg sich die jeweiligen Schüler jedoch entscheiden, ob für den Weg der traditionellen Kampfkunst oder für die mitunter leichtere Kost des Kampfsports, das muss ganz den individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen der Schüler vorbehalten bleiben. Nur müssen sie um die Unterschiede auch wissen, wenn sie eine den eigenen Interessen entsprechende Wahl treffen und eine gedeihliche Entwicklung beschreiten wollen.
Wenn ich mit meinem Blog hier und dem bescheidenen Wissen, das ich darin zu teilen bereit bin, einen Beitrag zu einer solchen Entscheidungshilfe leisten kann, dann sollen meine Worte nicht vergebens sein und ich dürfte mich dann glücklich schätzen.

Euer Sifu Kai

Donnerstag, 3. Januar 2013

Die gute Idee für den Monat Januar

Mit dem Januar ist auch ein neues Jahr angebrochen, und somit wünsche ich allen meinen Leserinnen und Lesern ein gesundes und harmonisches Jahr 2013.
Das chinesische Neujahrsfest wird hingegen heuer erst am 10. Februar begangen, daher befinden wir uns nach dem chinesischen Kalender noch im Jahr des Wasser-Drachen.
Zum Jahreswechsel beladen sich ja viele Menschen mit "guten Vorsätzen" für das neue Jahr, und nur zu oft werden diese Vorsätze dann recht schnell wieder aufgegeben. Das muss nicht unbedingt an einer Willensschwäche der betreffenden Personen liegen, sondern viel mehr daran, dass man sich einfach zu viele Vorsätze aufgebürdet hat oder dass das Vorhaben einfach zu hoch gegriffen ausgefallen ist.
Auch in dieser Hinsicht gilt der alte Grundsatz: Weniger ist mehr.
Daher möchte ich heute die Empfehlung formulieren, dass ein wirklich sinnvoller Vorsatz für das neue Jahr darin bestehen könnte, sich mehr bewegen zu wollen.
Schon eine halbe Stunde Bewegung täglich dürfte die Lebensqualität steigern und den tückischen westlichen Wohlstandskrankheiten vorbeugen. Besonders wertvoll erscheint in diesem Zusammenhang die Bewegung an der frischen Luft. Nun ist gerade der Monat Januar ganz sicher in den hiesigen Breitengraden nicht gerade für ein einladendes Wetter bekannt, dennoch sollte man darauf bedacht sein, sich möglichst täglich für wenigstens eine halbe Stunde im Freien aufzuhalten und zu bewegen. Dass man dabei auf eine der Witterung entsprechende Kleidung achten muss, versteht sich eigentlich von selbst.
Ob man nun im Freien seine Formen läuft oder Qi Gong betreibt, ob man einfach nur etwas rascheren Schrittes einen Spaziergang unternimmt oder doch lieber gleich einen Dauerlauf hinlegt - der Anlass der Bewegung an der frischen Luft ist dabei weniger entscheidend als die Tatsache der Bewegung an sich.
Im Freien können wir mehr Licht tanken als in Räumlichkeiten, auch wenn die Luxzahl in den Wintermonaten natürlich nie mit der strahlenden Helligkeit der Sommermonate wird mithalten können. Zwar hat mit der Wintersonnenwende die Sonne bereits wieder ihren Siegeslauf begonnen, jedoch wird es noch einige Wochen dauern, bis wir die Auswirkungen des steigenden Sonnenstandes auch wirklich merklich werden genießen können.
Daher mein Tip für diesen Monat: Geht hinaus an die frische Luft und trachtet nach Bewegung!
Nur so lässt sich die Gesundheit in ihrer Gesamtheit fördern beziehungsweise erhalten, getreu dem Motto "Mens sana in corpore sano".
In diesem Sinne wünscht Euch einen aktiven und bewegungsreichen Monat Januar

Euer Sifu Kai