Liebe Mitlesenden,
"das mache ich doch mit links" - so besagt eine Redewendung.
Daran anknüpfend, möchte ich für diesen Monat den Vorschlag unterbreiten, mehr Tätigkeiten mit der "schwacheren" Hand auszuüben. Da der phänotypische Anteil der Linkshänder in der Bevölkerung mit 10 bis 15 Prozent angegeben wird, gehe ich in meinen Ausführungen jetzt von der rechten Hand als der stärkeren aus. Für alle Linkshänder gilt daher, dass sie einfach nur die Überlegungen für ihre Voraussetzungen umzustellen brauchen.
Speziell in der Kampfkunst ist es notwendig und von unschätzbarem Vorteil, wenn man in der Lage ist, mit beiden Händen weitestgehend gleichwertig zu agieren. Diese Fertigkeit wird ja bereits im Formenlauf von Beginn an geschult und entwickelt. Wer sich mit dem weiten Feld des Waffentrainings beschäftigt (ob nun im mittelalterlichen europäischen Waffenkampf, in den FMA oder in anderen Kampfkünsten wie etwa im Kobudo oder im Mu Ki Do, um nur einige davon zu nennen), wird anfänglich noch die Schwierigkeiten spüren, die sich auf dem Wege zu einem Generalisten der Beidhändigkeit vor einem auftürmen. Die weniger gut ausgeprägte Koordination und Griff- wie Schlaghärte der "schwächeren" Hand wird sich in der ersten Phase des Lernens nicht verbergen lassen. Doch mit der Zeit wird man auch mit der ansonsten eher vernachlässigten Hand geschickter und sicherer, bis endlich der Unterschied zwischen den beiden Händen auf ein Minimum reduziert sein wird. Natürlich bleibt das Idealziel einer völligen Gleichwertigkeit beider Extremitäten immer anzustreben.
Im Wing Chun entwickelt die Bart Cham Dao - Form, die den weit fortgeschrittenen Ausübenden, der zu diesem Zeitpunkt meist bereits selbst eine Lehrtätigkeit aufgenommen haben wird, an die Handhabung der Doppelmesser (auch manchmal als "Schmetterlingsmesser" bezeichnet, wobei man in diesem Falle keiner Verwechslung mit dem philippinischen Balisong, das in der Umgangssprache als "Butterflymesser" bekannt geworden und durch Jugendgruppengewalt leider in Verruf geraten ist, unterliegen darf) heranführt und quasi die "höchste Weihe" in diesem Kampfkunstsystem darstellt, bestens die Verwendung beider Hände für diverse Aktionen, die in Kombination mit Schrittmustern und Körperwendungen dem aktiven Wing Chunler noch einmal einen besonderen Feinschliff verpasst und zu völlig neuen Erkenntnissen in dieser Kampfkunst führen kann.
Ich möchte meine Leser nun heute dazu ermuntern, auch im Alltag und daher außerhalb ihres eigentlichen Kampfkunsttrainings die "schwächere" Hand zu schulen, indem ganz bewusst mehr Tätigkeiten mit eben dieser Hand ausgeführt werden sollen. Zu diesem Zwecke werden sich für jeden ganz individuelle und nahezu unbegrenzte Möglichkeiten finden lassen, die nicht nur zu einer veränderten Wahrnehmung und Weltsicht, sondern auch zu einer größeren Flexibilität und Vielseitigkeit führen können. Von einer besseren Verknüpfung der linken mit der rechten Gehirnhälfte und anderen neuro-wissenschaftlichen Erwägungen möchte ich an dieser Stelle schweigen.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern viel Spaß bei der Erprobung der Fähigkeiten der "schwächeren" Hand und verbleibe wieder bis zum nächsten Beitrag
Euer Sifu Kai
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen